Tönninger Gedichte

Ein Gedicht von Onkel Hans aus Tönning

Hörst du die Sirene, die „Hyäne“ kommt?
Sie läuft in den Hafen wohl ein.
Die Mädchen kommen alle her,
ob groß sie sind, oder ob klein.
Sie sehen Matrosen an Deck schon steh‘n,
und rufen wohl freudig Hurra,
ach wäre mein Kuli doch erst hier,
dann wäre gleich alles da.
O grüße mir den Eider - Deich
oder Jungfernstieg, es ist mir gleich.
Die Mädchen sind schön, ja wie bekannt,
am herrlichen Eiderstrand.
Hörst du die Sirene, die „Hyäne“ ist da,
so rufen die Mädchen sich zu.
Sie laufen abends zum Deich hin
und haben zu Hause keine Ruh.
Die Namen in Tönning, ich glaube wohl,
sind alle schon ziemlich bekannt:
Die Gretha, die Metha, die Liesbeth dazu,
sind alle zur Stelle im Nu.
O grüße mir den Jungfernstieg,
Was ich hiermit mein‘, versteh mich recht,
die Mägdelein alle so schmuck ich fand
am herrlichen Eiderstrand.

(Veröffentlicht am 23. Februar 1915
im Eiderstedter Wochenblatt)


Eiderstedter Heimatgedanken

Das Fleckchen Eiderstedt, unser schönes Land,
immer weniger Einheimische, vieles in fremder Hand.
Früher weiter Horizont, friedliche Kühe auf den Weiden,
heute durch Windkraftanlagen den Himmel zerschneiden.
Sie stehen da wie monströse Ungetüme aus einer anderen Welt,
dienen weniger der Windkraft, sondern Eigennutz, es geht um das liebe Geld.
Im Sommer fahren sie hin die Autolawinen an den Ordinger Strand,
durch die Städte und Dörfer, die blecherne Wand.
Teils nur noch idyllisch auf abgelegenen Wegen,
wo Einheimische die ländliche Tradition noch pflegen.
Wo Intensiv das Lämmchen um seine Mutter schreit,
nebenan eine Supermarktkette sich nach der anderen reiht.
Die alten Gastwirtschaften sind fast verschwunden, wie die Höckerlädchen,
diese wird man niemals mehr finden auf den Dörfern und in den Städtchen.
Der Tönninger Strand heute ein trauriger Blick,
früher Kutterregatten, Strandfeste und Schlachten im Schlick.
Heute verlassen, teils öde und leer,
selbst das Planschbecken gibt es nicht mehr.
Und selbst wenn ein Buttentönner will mal auf dem Deich ein Stückchen gehen,
kommt barsch ein Bediensteter und will die Kurkarte sehen.
Unser altes Eiderstedt, grünes saftiges Land bis in die Weiten,
Dörfer, Städte und Menschen ändern sich,
nur nicht das Meer und die Gezeiten

Fred Steen 2014


Sterne der Eider

Auf der Nordsee, der laue Wind von achtern, gleitet das kleine Boot,
viele Stürme hat es ertragen - so manches mal in höchster Not.
Die zwei Fischer mit Blick auf die Eidermündung, noch weit in der Ferne,
ruhige See - Möwengeschrei, es leuchten die Sterne.
Seit Tagen auf See, oft an die Heimatstadt Tönning gedacht, an die warme Stube,
nachts die Einsamkeit, was wohl die Mutter gerade macht?
Endlich die Mündung, vorbei an St. Peter, Vollerwiek und Katingsiel,
sie müssen sich konzentrieren - sonst verlassen sie das sichere
Fahrwasser und stranden in einem Priel.
Das kleine Segel ist eingeholt, die beiden Brüder rudern nun durch
Sterne und Mond in sicherem Geleit. Vorbei an den Olversumer
Fischersteegen, der Tönninger Hafen ist nicht mehr weit.
Sie gleiten mit der leichten Flut und sehen einzelne karge Lichter der Stadt,
an der Hafenecke links rein, sie atmen noch einmal tief durch,
es riecht nach Meer und dem Watt.
An der Appeltreppe, dem Skipperhuset und dem Packhaus vorbei,
kurz vor dem Torfhafen legen sie an an dem maroden Kai.
Gerade angelegt, noch nicht an Land, bemerken sie auf einmal es wartet
jemand auf sie - mit der Oellampe in der Hand.
Nun sehen sie es genau, es ist ihre Mutter, sie hält Wacht -
hat auf ihre Söhne gewartet die ganze Nacht.
Sie freut sich ihre Jungs wiederzusehen, doch bleibt ihr das Herz fast stehen.
Sie fragt: "Wo ist der Dritte, wo ist mein jüngster Jung"?
Die beiden Brüder antworten ihr: "Wir hatten schweren Sturm,
er fiel über Bord und ruht auf dem Meeresgrund"!
Die Mutter sackt zusammen auf die Knie und fängt an zu beten, schaut dabei in
die Ferne in den Himmel zu dem hellsten Sterne.

Fred Steen 2014